Bündnis diskutiert über NPD-Verbot

29. März 2012

Am 24. Februar 2012 diskutierte das „Aktionsbündnis für ein friedliches und weltoffenes Schwerin“ über ein NPD-Verbot. Fast alle Podiumsteilnehmer hielten ein NPD-Verbot für dringend erforderlich.

Fast ein Jahr nach der Gründung des Bündnisses unter der Schirmherrschaft der Schweriner Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow (Die Linke) diskutierten im Atrium der Schweriner Astrid-Lindgren-Schule neben der Schriftstellerin Birgit Lohmeyer auch die tschechische Malerin Zahra aus Plüschow, der Bürgerrechtler Heiko Lietz und der Politikwissenschaftler Steffen Schoon über ein NPD-Verbot. Der Chefredakteur der Schweriner Volkszeitung (SVZ), der zu den Erstunterzeichnern des Bündnis-Aufrufes zählte, moderierte die Veranstaltung. Heiko Lietz hatte die Debatte mit Informationen über immer noch hohe Diskriminierungswerte in erheblichen Teilen der Bevölkerung aus der Studie der Friedrich Ebert-Stiftung „Die Mitte in der Krise“ von 2010 eröffnet. SVZ-Chefredakteur Schulz bemühte hingegen das autoritäre Erbe der untergegangenen DDR als Erklärungsgrund für die Anfälligkeit von Teilen der Bevölkerung für die Neonazi-Gedankenwelt. Er hatte dabei übersehen, dass sich nach der gerade von Heiko Lietz erläuterten Studie rechtsextreme Einstellungen auch in gleicher Weise aus rassistischen, antisemitischen, sozialdarwinistischen, geschichtsverdrehenden und chauvinistischen Einstellungen konstituieren. Keinesfalls lassen sich Nazi-Positionen auf autoritäre Präferenzen allein reduzieren, wie dies gern in der öffentlichen Debatte dargestellt wird. „Eine Demokratie, die nicht zwischen Freund und Feind differenziert, sondern Verfassungsfeinde staatlich legitimiert, handelt in höchstem Maße verantwortungslos“ meint Birgit Lomeyer. Zusammen mit Ihrem Mann führt sie jährlich das Open-Air-Rockfestival „Jamel rockt den Förster“ gegen Neonazis durch. In Jamel hat sich eine Gruppe von Neonazis niedergelassen und Jamel zu einem Nazi-Dorf ausgebaut. Doch die Lohmeyers wollen nicht weichen und leisten Widerstand. Dafür wurden sie mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem „Paul-Spiegel-Preis“ des Zentralrates der Juden. Die Vernetzung der NPD mit der gewaltbereiten rechten Szene sei nicht von der Hand zu weisen und das Konzept der V-Leute gescheitert, erläutert Birgit Lohmeyer. Deshalb solle nicht über ein Verbot debattiert, sondern es endlich umgesetzt werden. So sahen es nahezu alle Teilnehmer im Podium – bis auf Steffen Schoon, Mitarbeiter der Landeszentrale für politische Bildung. Das Verbot der neonazistischen Sozialistischen Reichspartei Anfang der fünfziger Jahre habe die NPD-Gründung nicht verhindern können, argumentierte er gegen die Verbotsforderung. Dass der Aufbau der NPD nach diesem Verbot zehn Jahre dauerte und die Schwächung der Nazi-Szene in einer Phase der noch schwach entwickelten westdeutschen Demokratie ein Erfolg für die Demokratie war, mochte er nicht sehen. Frau Lohmeyer konterte, das es für sie schon ein Unterschied sei, ob sie es in ihrem Dorf mit demokratisch gewählten Abgeordneten der NPD zu tun habe oder ausschließlich mit Verbrechern. Das fand auch das applaudierende Publikum.

Wenig Sachkenntnis kam hingegen aus dem Podium, als im Publikum Bedenken bei einem Verbot in der möglichen Neugründung einer Nazi-Partei und der gefährlichen Flucht der Naziszene in den Untergrund gesehen wurden. Dabei ist längst bekannt, dass der strategische Wechsel der NPD mit der Schaffung von Kameradschaften als Organisationen ohne Organisation diesen Untergrund längst geschaffen hat. SVZ-Chefredakteur Schulz hatte zu Beginn der Veranstaltung aus dem Bericht des Verfassungsschutzes 400 organisierte NPD-Mitglieder in Mecklenburg-Vorpommern zitiert – bei einer weitaus größeren Nazi-Szene von 1.400 Personen. Auch die Gründung eine Nachfolgepartei zur NPD ist kaum anzunehmen. Mit „ProDeutschland“ und „Die Freiheit“ ist die extreme Rechte bereits jetzt mit rechtspopulistischen Angeboten präsent, wenn auch weitaus nicht so erfolgreich wie die NPD. Die Auseinandersetzung mit rechtem Gedankengut bleibt natürlich eine dauernde Aufgabe. Schade, dass im Podium offensichtlich die Sachkenntnis nicht sehr stark ausgeprägt war, um die immer wieder angeführten Argumente gegen ein NPD-Verbot klar auszuräumen. Immerhin titelte die SVZ am Folgetag „Ein NPD-Verbot allein reicht nicht“. Ohne ein NPD-Verbot sind alle anderen Aktivitäten gegen Nazis halbherzig – sollte man hinzufügen.