Heideruh im Umbruch

19. April 2015

Vielen Antifaschist*innen ist Heideruh ein Begriff. Unweit von Hamburg in der Nordheide gelegen, ist es über Jahrzehnte Erholungsort und Treffpunkt. Ehrenamtliche Mitarbeit ist eine Selbstverständlichkeit und ein Muss, denn das Heim lebt von Spenden.

Aufgebaut und mit Leben erfüllt wurde es von Kameradinnen wie Hilde Bentin und Gerda Kranz in der Tradition der Freien Deutschen Jugend.
Um in der Adenauer-Ära einer Einziehung von Vermögen zuvorzukommen, wurde es Genossenschaft, Ende der 50er Jahre unter Fritz und Alice Bringmann dann Verein.
Baulich wurde es erweitert, das Steinhaus errichtet und die Kantine. Walter und Gertrud Boller, Helmut Fleischhauer und Helga Schneider prägten 27 Jahre das Gesicht Heideruhs. Legendär sind die Sommerfeste, die Aufnahme von Kindern und Menschen auf der Flucht vor faschistischer Herrschaft selbstverständlich. Ganze Familien hat es geprägt, die Geschwister-Scholl-Jugend gegründet. Klaus Huhns Büchlein „Fünf Sterne für Heideruh“ hat es nach 1989 auch Kamerad*innen nahegebracht, die nach dem erzwungenen Fortfall ihrer Ferienheime einen Treffpunkt zur Selbstverständigung suchten.

Seit Anfang der 90er Jahre wurde die Nordkonferenz zum alljährlichen Bildungstreffen der VVN-BdA in Norddeutschland. Heideruh im Umbruch: die FDJ’ler wurden älter, das Gesicht Heideruhs kam ihrem Bedürfnis nach Erholung und Austausch nach, schloss sich dem Paritätischen Wohlfahrtsverband an. Die allmähliche Überalterung und die gesundheitsbedingte stetige Verringerung der Zahl der Übernachtungen ließen sich kaum aufhalten.

Mit viel Elan und einer Spendenkampagne sollte Heideruh erhalten bleiben. Nach dem Fortfall vieler gewerkschaftlicher Tagungsorte war es für Antifaschist*innen eine Herausforderung. Durch Spenden alleine ließ es sich aber nicht auf Dauer wirtschaftlich betreiben. Der Zufluchtsort sollte sich nach außen öffnen.

Mit einer verjüngten Geschäftsführung unter Bea Trampenau, einem schlagkräftigen Team von Ehrenamtlichen, einem jüngeren Vorstand und dem neuen Projektnamen „Antifaschistische Erholungs- und Begegnungsstätte Heideruh“ sollten sich neue Zugangswege eröffnen. Nicht zuletzt um den Grundgedanken gegen das Vergessen: „dass nie wieder geschehe, was einst geschah“ zu verbreiten.

Internationales Begegnungszentrum ist es seit fünf Jahren, vor allem auch Ende Juli/Anfang August seit Gruppen des Service Civile International und bis zu 60 antifaschistischen Jugendlichen aus der Umgebung zum Work-, bzw. Jugendcamp kommen. Wer heute kommt, sieht zunächst sehr viel mehr jüngere Antifaschist*innen.

Sie versammeln sich wöchentlich zu gemeinsamen Diskussionen, Beratungen, Musik- und Filmabenden, und sie engagieren sich vehement für die Verbesserung der Lage der Geflüchteten.

Erneut ist Heideruh zum Zufluchtsort geworden, für Jüngere aus dem Landkreis und für Menschen, die hier auf den erfolgreichen Abschluss ihres Asylverfahrens warten. Heute stammen sie mehrheitlich aus dem Sudan, morgen vielleicht aus dem Mittleren Osten?

Heideruh ist lichter geworden, Dutzende Kiefern fielen, da sie zu sehr in die Jahre gekommen waren. Dafür entsteht ein lichteres Außengelände, auf dem auch gezeltet werden kann.

Geöffnet hat sich Heideruh zur Stadt Buchholz hin. Die Ausstellung einer Berliner Studiengruppe um den Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Oliver Rump hatte in den vergangenen Jahren Erstaunliches und kaum Bekanntes über die 90-jährige Geschichte und Wirkung Heideruhs zutage gefördert. Zum 27. Januar 2013 wurde sie in der Stadtbücherei Buchholz feierlich eröffnet. Gegen verleumderische Angriffe seitens der AfD wurden Heideruhs Jugendliche wie die Begegnungsstätte von der Stadt offiziell in Schutz genommen. Geöffnet hat sich die „Antifaschistische Erholungs- und Begegnungsstätte“ für Seminargruppen sehr unterschiedlicher Herkunft. Nach wie vor finden Kaffeetafeln statt und Ausflüge in die Umgebung. Die Heideblüte ist Hochsaison für Erholungsgäste.

Nicht alle Schwierigkeiten sind gelöst. Finanziell ist Heideruh nach langen Mühen wohl übern Berg. Trotzdem fallen verstärkt Reparaturen an, denn es ist in die Jahre gekommen. Eine Sanierung der Kühlanlagen und der Leitungen lässt sich überbrücken, aber nicht dauerhaft hinausschieben. Trotzdem und gerade deshalb hoffen wir auf zahlreichen Besuch. Eine gute Gelegenheit bietet das Sommerfest am Samstag, den 25. Juli ab 14 Uhr. Höhepunkt ist das Mikis-Theodorakis-Programm der Gruppe Quichote aus Chemnitz.

Raimund Gaebelein